Smart heizen im Altbau

Wie Ihr intelligentes Zuhause winterfest wird

4.12.2012 von Redaktion pcmagazin

Knapp die Hälfte ihrer Energiekosten geben die Deutschen für das Heizen aus. Insider glauben, dass 90 Prozent der Heizungen falsch eingestellt sind. Steigende Preise sorgen gerade bei älteren Gebäuden für Sorgenfalten, denn nicht immer kann optimal gedämmt werden.

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EnOcean, heizung, myHomeControl, HOPPE, SecuSignal
EnOcean, heizung, myHomeControl, HOPPE, SecuSignal
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Es lohnt sich, in die Optimierung der Heizungssteuerung zu investieren. Die Forschung geht davon aus, dass sich so bis zu 30 Prozent der Kosten einsparen lassen. Der folgende Beitrag richtet sich in erster Linie an Eigentümer von Ein- und Mehrfamilien-Altbauten und Fachwerkhäusern mit konventionellen Heizkörpern ohne Fußbodenheizung.Mit EnOcean-basierten Nachrüstkomponenten und einer intelligenten Steuerung lässt sich der Betrieb des Heizkessels tatsächlich optimieren. Die Wirkung konnte an einem Musterhaus in der Praxis nachgewiesen werden und übertraf die Erwartungen.

Konventionelle Technik

Konventionelle Gas- oder Ölheizungen sind heute prinzipiell wie folgt aufgebaut: Es gibt einen Heizkessel mit Brenner - das ist im günstigsten Fall ein Brennwertkessel - mit Pumpen und einem Außenfühler und Vorlauf- und Rücklaufrohren zu den Heizkörpern. Dort regeln Heizkörperthermostate den Zufluss des heißen Vorlaufwassers. Manchmal wird als Option auch eine Bedieneinheit mit Temperaturfühler in einem sogenannten Referenzraum installiert.Der Brenner wird immer dann gezündet und verbraucht Brennstoff, wenn die über den Außentemperatursensor geführte Heizungsregelung signalisiert, dass die Vorlauftemperatur des Heizkreises in Relation zur Außentemperatur zu niedrig ist und - wenn diese Option installiert ist - der Referenzraum kälter als gewünscht ist.


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Dank eines Thermokon-Energiezählers konnte der Gasverbrauch genau aufgezeichnet und verglichen werden.
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An (draußen) kalten Tagen vermutet die Steuerung einen erhöhten Wärmebedarf innen und startet den Brenner öfter. Der Außenfühler spielt also eine wichtige Rolle. Deshalb ist es entscheidend, den optimalen Ort für ihn auszuwählen. Direkte Sonneneinstrahlung führt jedoch zu Fehlinformationen. Problematisch sind aber vielmehr die starre Zuordnung der Außentemperatur zur Soll-Vorlauftemperatur und eine für den normalen Hausbesitzer schwer zu verstehende und schwierig einzustellende Heizkurve des Brenners.Eine perfekte Wahl des Referenzraumes ist eigentlich gar nicht möglich. Das Wohnzimmer und der Flur sind beliebte Orte für den Innenfühler. Diese Räume können aber hinsichtlich der Temperaturanforderungen nicht maßgeblich für Schlafzimmer, Küche, Bad oder Kinderzimmer sein.

Technik im Überblick

Fast jeder Raum hat einen eigenen Raumfühler und sein Temperatur-Profil. Seit 2011 sind zehn Heizkörper mit den Stellantrieben MD15-FTL von Kieback & Peter im Einsatz. HOPPE SecuSignal-Griffe melden die Stellung der Fenster (zu, gekippt, auf).Sensoren und Aktoren kommunizieren via EnOcean-Funk-Gateway mit der auf einem Hausautomations-PC laufenden Software myHomeControl. Es gibt keine Heizkurve, keine zentrale Nachtabschaltung und keine Sommer-/Winterumschaltung mehr.

Umso schlimmer ist die Situation bei Häusern mit Einliegerwohnung oder bei Mehrfamilienhäusern, bei denen ein Raum für mehrere Wohnungen "entscheidet". Aktuelle Heizungssteuerungen müssen sich also immer mit mehr oder weniger guten Kompromissen auf der Sensorseite zufriedengeben.Es ist deshalb verständlich, dass es so keinen optimalen, an die Umwelt- und die Wohnsituation angepassten Betrieb geben kann. Heizungsbauer dimensionieren die Heizung deshalb gern eine Nummer zu groß, damit es nie zu kalt wird. Die Heizkörper abstellen kann man ja immer noch. Doch der Heizkessel arbeitet außengesteuert weiter, als müsste er das ganze Haus wärmen.

Ein innovativer Ansatz

Moderne funkbasierte Heizkörper-Stellantriebe und Einzelraumsensoren lassen heute bereits bessere Lösungen zu. Einzelraumregelung ist nicht mehr teuer. Es gibt verschiedene Anbieter, beispielsweise RWE-SmartHome und EQ3/ELV.Im Beispielhaus kamen EnOcean-Temperatur- und Feuchtefühler diverser Hersteller und EnOcean-Funk-Stellantriebe von Kieback & Peter zum Einsatz. Die Einzelraumregelung löst allerdings nicht das Brennerproblem. Das Ziel besteht darin, den Brenner nur dann zu starten, wenn aufgrund des Verbrauchs tatsächlich heißeres Vorlaufwasser benötigt wird.Das Besondere der MD15-Funk-Stellantriebe von Kieback & Peter ist, dass sie nicht nur Aufträge empfangen können, sie senden auch als Status zurück, wie weit das jeweilige Heizkörperventil geöffnet oder geschlossen ist. Ist ein Raum nach Vorgabe der Einzelraumregelung temperiert, passiert am Heizkörperventil nichts. Wird es im Raum bzw. am Sensor zu warm, muss weniger geheizt werden, das Ventil schließt ein wenig. Wird es zu kalt, muss mehr geheizt werden, das Ventil öffnet etwas weiter. Diese Information dient in unserem Musterhaus dazu, den Brenner zu steuern, denn sie sagt exakt aus, ob der jeweilige Heizkörper heißes Wasser zum Heizen benötigt oder nicht.Benötigt er heißes Vorlaufwasser, müssen der Brenner und gegebenenfalls die Förderpumpen laufen, sonst nicht. Der Brenner wird also in Abhängigkeit vom tatsächlichen und nicht vom potenziellen Wärmebedarf gesteuert.

Randbedingungen des Referenzhauses

  • Zweifamilienhaus aus den 50ern, Anbau: 70er
  • Heizungsanlage von 1992/1993, einstufige Gasbrennwerttherme: 23 kW mit Pufferspeicher; nur Heizkörper; beheizte Fläche: rund 200 m²
  • Warmwasser-Bereitung solarunterstützt
  • Warmwasser-Aufheizen seit Juli maximal zweimal am Tag; wurde früher durchgehend auf 50...55°C gehalten
  • nur oberste Geschossdecke gedämmt
  • 2011 schrittweise neun neue Fenster, sechs weitere Fenster/Balkontüren noch aus den 70ern

Bei konventionellen Steuerungen wird der Brenner auch dann gestartet, wenn an den Heizkörpern aktuell gar kein heißes Vorlaufwasser benötigt wird. De facto ist nun jeder Raum mit Heizkörper, der über solche Ventile verfügt, ein "Referenzraum".Versorgt eine Heizungsanlage mehrere Wohnungen, passt sich die Anlage trotz unterschiedlichen Wärmeempfindens der Bewohner optimal an den jeweils gewünschten Wärmebedarf der Räume an.

Referenzobjekt und Realisierung

Das Haus des Modellprojekts ist typisch für viele Gebäude aus den 50er-Jahren. Damals, kurz nach dem Krieg, wurde schnell viel Wohnraum benötigt. Wichtig war es, ein Dach über den Kopf zu bekommen. Energie war im Verhältnis zu den Gehältern sehr billig und Dämmung deshalb noch kein Thema. Das Referenzhaus wurde später zum Zweifamilienhaus ausgebaut.Irgendwann wurden die oberste Geschossdecke gedämmt und einige Fenster ausgetauscht. Eine Fassadendämmung unterblieb, weil sie bei diesem Objekt nur sehr schwierig und kostspielig zu realisieren gewesen wäre. Dieses Problem teilen alle Fachwerkhäuser.

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Ein saniertes und heiztechnisch optimiertes Fachwerkhaus.
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Eine Außendämmung würde den Charakter des Hauses zerstören. Eine Innendämmung würde den Wohnraum verkleinern. So entstand die Idee, per Heizungsoptimierung weitere Energieeinsparungen zu erzielen.

Herausforderung und Ziele des Modellprojekts

  • Wegen der steigenden Energiepreise sollen weitere leicht zu realisierende Einsparungen erzielt werden.
  • Erstrebt wird eine sich selbst an den tatsächlichen Bedarf anpassende Regelung - kein kompliziertes Einstellen von Heizkurven.
  • Einbezogen wird das Verbrauch-Feedback aus möglichst vielen Räumen, um nicht nur auf Verdacht, sondern nach tatsächlichem Bedarf zu heizen.
  • Lieber wenige Starts und lange Brennerlaufzeiten statt umgekehrt, um Abgase zu reduzieren.
  • Die Ventile sollen möglichst weit offen sein, um Heizenergie optimal zu nutzen, es soll also ein möglichst großer Volumenstrom am Heizkörper vorliegen.
  • Die Vorlauftemperatur soll möglichst niedrig sein.
Ausgangspunkt war ein Konzept von Prof. Schaub, Fachhochschule Ulm (inzwischen emeritiert), das bereits in den 90er-Jahren veröffentlicht wurde. An sich genial einfach, aber es hatte den Nachteil, dass damals noch eine umfangreiche Verkabelung erforderlich war. Erst dank moderner Funk-Hausautomationssysteme und flexibler Software ist heute eine konsequente und bezahlbare Umsetzung auch im Altbau möglich. Von renommierten Fachhochschulen, Herstellern und europäischen Normen für gewerbliche Objekte (EN 15232) wird die Außentemperatur schon seit einiger Zeit nicht mehr als geeignete Führungsgröße und eine Vernetzung der Einzelraumregelungen (ERR) mit übergeordneten Reglern als Voraussetzung für höhere Effizienzklassen angesehen. Im Zeitalter von Smart Home wird sich dies sicher auch für den Wohnbereich durchsetzen. Es fehlte bisher nur die geeignete Technik insbesondere für die Millionen Bestandsgebäude.

Realisierte Lösung im Modellprojekt

Fast alle Räume im Zweifamilienhaus wurden mit Raumfühlern und die Heizkörper mit den Stellantrieben MD15-FTL von Kieback & Peter ausgestattet. Für jeden Raum kann so individuell eingestellt werden, wann es wie warm sein soll. Jeder Raum hat seine eigene Einzelraumregelung.

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HOPPE Secu-Signal-Fenstergriffe senden beim Öffnen ein Steuersignal an myHomeControl.
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Um zu verhindern, dass zum Fenster hinaus geheizt wird, wurden zusätzlich HOPPE Secu-Signal-Fenstergriffe eingebaut. Diese senden beim Öffnen ein Signal an die Steuer-Software myHomeControl, welche wiederum den Stellantrieben den Befehl zum unverzüglichen Schließen des Ventils sendet. Ein weiterer Beitrag zum Energiesparen.

Solange die Raumregler die vorgegebenen Raumtemperaturen durch weiteres Öffnen oder Schließen des Heizkörperventils halten können, passiert erst einmal nichts. Erst wenn ein Raumregler signalisiert, dass bald das Ende seines Regelbereiches erreicht ist, wird ein übergeordneter Regler in der myHomeControl-Software aktiv. So kann jeder Raum im Laufe des Tages je nach Nutzung durch die Bewohner zum Referenzraum werden.Der Bedarf der einzelnen Räume wird von myHomeControl ausgewertet und an den zentralen Wärmeerzeuger, beispielsweise einen Brennwertkessel, weitergegeben. Ganz von allein ergibt sich daraus: Wenn keine Anforderung anliegt, läuft auch der Brenner nicht.Auf diese Weise nutzt ein Smart Home die Informationen aus der Gebäudehülle selbst unter Einbeziehung der Speicherwirkung der Wände und Decken, um den Wärmebedarf zu ermitteln und Gas oder Öl effizient zu nutzen. Das bedeutet: nicht mehr heizen auf Verdacht nach Außentemperatur, sondern wirklich nach tatsächlichem Bedarf in den Räumen. In Mehrfamilienhäusern kann so jeder für seine Räume sein eigenes Zeit-Temperatur-Profil einstellen.

Die Software

Die Anforderungen an Logik und Genauigkeit an die Einzelraumregelungen sind bei diesem Konzept relativ hoch. Stellantriebe und Raumfühler müssen optimal in das Gesamtkonzept eingebettet und mit anderen Komponenten vernetzt sein.Die Schweizer Firma BootUp hat mit ihrem Software-System myHomeControl vorgefertigte Regelbausteine geschaffen, welche die verwendeten Komponenten mit all ihren Fähigkeiten vorbildlich unterstützen. Durch die automatische und übersichtliche Darstellung der Visualisierung verstehen auch Laien die Zusammenhänge.

Ergebnisse und Fazit

Das System hat sich sowohl in milden als auch in sehr kalten Wintern bewährt. Ab Anfang 2011 wurde die neue Regelung konsequenter eingesetzt. Auch wenn man berücksichtigt, dass vor allem der Herbst 2011 wärmer als gewöhnlich und damit ebenso der Heizenergieverbrauch naturbedingt geringer war, zeigen sich deutliche Einsparungen.

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Das Diagramm zeigt die Verbrauchswerte 2010 zu 2011 und die ersten Monate von 2012. Die Einsparung ist deutlich abzulesen.
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Die Hersteller von Heizsystemen müssen sich neuen Techniken öffnen und manche tun dies auch schon. Sie dürfen nicht nur für den perfekt gedämmten Neubau, sondern auch für den Bestand aus zum Teil nicht dämmbaren Gebäuden entwickeln. Auch das Sanitär-Heizung-Klima-Handwerk muss lernen, dass smarte Software-gesteuerte Lösungen heutzutage zu ihrem Aufgabengebiet zählen.Dem Eigentümer eines Altbaus, eines denkmalgeschützten Gebäudes oder eines Fachwerkhauses bietet das hier beschriebene Verfahren bei relativ geringen Investitionen und Baumaßnahmen eine hohe Ersparnis.Allerdings werden sehr viele Sanitär-Heizung-Klima-Fachbetriebe nicht begeistert sein, ein solches Projekt anzugehen. Die meisten kennen sich mit den hier verwendeten Produkten leider noch nicht aus und scheuen sich vor der noch unbekannten Technik.

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