Car Connectivity
Das vernetzte Auto im Straßenverkehr der Zukunft
Seit Jahren wird die Technik in Autos immer intelligenter. Beim Thema Vernetzung wird jetzt einen Gang höher geschaltet: Schon bald werden Autos nicht nur mit dem Zuhause oder der Werkstatt vernetzt sein, sondern sogar miteinander. Und das ist erst der Anfang.
Wie sieht der Straßenverkehr der Zukunft aus? Geht es nach Science-Fiction-Autoren, dann sind wir irgendwann in selbständig fahrende Automobilen unterwegs, die Fahrer praktisch überflüssig machen. Diese Utopie wird immer wahrscheinlicher: Inzwischen bieten viele Fahrzeughersteller eine Reihe von Diensten an, welche die Reise sicherer, komfortabler und unterhaltsamer machen sollen. Doch nur weil eine Funktion intelligent ist, ist sie noch nicht vernetzt.
Eine Warnung, wenn man die Spur verlässt, ein Assistent fürs Einparken oder das Erkennen von Passanten am Straßenrand: Das ist zweifellos smarte Technik. Diese ist fest im Auto verbaut und nutzt nur Geräte, die ebenfalls im Fahrzeug vorhanden sind, wie Kameras, Sensoren und der Bordcomputer.
Auf der Datenautobahn
Anders verhält es sich mit Funktionen, die eine Internet-Verbindung herstellen, sogenannte Telematik-Dienste. BMW kann als Vorreiter in diesem Bereich angesehen werden: Der Autobauer führte bereits 2001 ein Computer-Interface namens iDrive ein. Das Konzept setzte sich durch, sodass inzwischen viele Neuwagen anderer Hersteller ebenfalls ein Display in der Armatur integrieren. Für Fahrzeuge ohne eine solche Anzeige gibt es auch Nachrüstmöglichkeiten, etwa von Kenwood oder Parrot.
Vernetzte Dienste im Auto und Vernetzung nachrüsten
In neuen, eher hochpreisigen Automobilen gibt es immer öfter ein Head-up-Display (HUD), das Informationen gleich auf die Windschutzscheibe projiziert. Als erster Hersteller bietet Pioneer hierfür eine Nachrüstlösung an: Der Satellitennavigator NavGate bringt ein 30-Zoll-Display auf die Windschutzscheibe. Die Navigationsinformationen werden mittels Augmented Reality über das tatsächliche Straßenbild gelegt.
Egal, ob als normaler Bildschirm an der Armatur oder als Projektion, eine solche Benutzeroberfläche ist die Voraussetzung für online-basierte Funktionen. Anfangs waren diese auf Grundlagen beschränkt, wie das Lesen und Schreiben von E-Mails, später kam auch der Zugriff auf Twitter und Facebook hinzu. Um die Netzwerk-Verbindung aufzubauen, brauchen viele Systeme ein webfähiges Handy; in einigen sind bereits SIM-Karten eingebaut. Vor allem im Zusammenhang mit Navigationssystemen wurde auch die Übertragung von GPS-Daten zum Standard.
Im Zeitalter der Smartphones und Apps eröffnen sich auch dem vernetzten Auto immer mehr Möglichkeiten. So reagieren etwa Navigationssysteme durch Echtzeit- Verkehrsinformationen schneller auf Staus oder Unfälle und das Internet-Radio löst immer mehr den Empfang mit der Fahrzeugantenne ab.
Noch weiter geht etwa BMW Remote Services: Damit lassen sich Funktionen des Autos aus der Ferne mit dem Smartphone aktivieren. So kann man Heizung oder Klimaanlage anschalten, lange bevor man in das Auto steigt.
Und damit ist das Ende der Vernetzung noch lange nicht erreicht. Die Fahrzeughersteller haben jedoch ein Problem: Das mobile Internet von Handys und Smartphones reicht nicht für ihre ehrgeizigen Pläne. Dabei sollen die Autos nicht nur mit dem World Wide Web, sondern auch direkt miteinander und mit der Infrastruktur vernetzt werden.
Bereits 2010 sagte eine Trendanalyse von Mercedes Benz voraus, dass das vernetzte Auto 2015 Standard sein würde. Das ist sehr optimistisch gedacht, aber diese Prognose könnte dennoch innerhalb des nächsten Jahrzehnts wahr werden.
Auf der Überholspur
Dabei wird zunächst der Übertragungsstandard LTE wichtig. Auch als 4G bekannt, ist LTE (Long Term Evolution) ein Mobilfunkstandard, der bis zu 300 MBit/s übertragen kann. Für die Kommunikation zwischen Fahrzeugen ist LTE nicht nur wegen der höheren Übertragungsdaten besser geeignet, sondern auch wegen der niedrigen Latenzzeiten. Allerdings ist LTE in Deutschland noch nicht flächendeckend ausgebaut.
So steht es um den Netzausbau: Der große Mobilfunk-Netztest von connect
Die beiden Begriffe, die im Zusammenhang mit Auto-Vernetzung oft genannt werden, sind "Car to Car" und "Car to X". Mit Car to Car wird die Vernetzung der Fahrzeuge miteinander bezeichnet, Car to X steht für die Kommunikation des Autos mit der Infrastruktur, also etwa Schranken oder Ampeln. So wäre es möglich, im Fahrzeug bereits eine Warnung zu bekommen, bevor die Ampel auf Rot schaltet oder die Schranke sich senkt. Die Möglichkeiten von Car to Car sind sogar noch spannender: Wenn sich nämlich die Autos miteinander vernetzen, kann etwa ein Fahrzeug, das bereits im Stau steht, die anderen vor dem stockenden Verkehr warnen - oder vor einem Geisterfahrer.
Doch diese Vision ist selbst mit LTE noch nicht durchführbar. Stattdessen werden sich die verschiedenen Autobauer mit der Einführung des Mobilfunkstandards in diesem Jahr eher auf den Ausbau ihrer bisherigen Online- und Infotainment-Angebote konzentrieren.
Über Markengrenzen hinweg
Außerdem gibt es noch eine andere Voraussetzung für das vernetzte Auto: Die Kommunikation muss markenübergreifend sein. Um dies zu realisieren, wurde dasProjekt "Sichere Intelligente Mobilität Testfeld Deutschland" (simTD) gegründet. Der Zusammenschluss von Fahrzeugherstellern, Telekommunikationsanbietern, Universitäten und des Bundeslands Hessen sowie der Stadt Frankfurt am Main erforscht unter der Schirmherrschaft von Mercedes Benz die Möglichkeiten von Car-to-X und ihre Umsetzung. 120 vernetzte Testfahrzeuge waren rund um Frankfurt am Main vier Jahre unterwegs, um die Technologie zu testen.
Bereits im letzten Jahr haben außerdem viele Autobauer ein Memorandum unterzeichnet, ab 2015 den WLAN-Standard ITS-G5 zu unterstützen. Der auch als DSRC oder WAVE bekannte Funkstandard operiert in einem Frequenzbereich von 5,9 GHz. Damit wird ein sogenanntes Fahrzeug-Ad-hoc-Netz (auf Englisch: Vehicular Ad Hoc Network oder VANet) aufgebaut. Darin werden die Autos selbst zu Routern, sind also gleichzeitig Sender, Empfänger und Knotenpunkte. Dafür wird jedes Fahrzeug mit einer eigenen Kommunikationsplattform, der sogenannten "ITS Vehicle Station", ausgestattet. Zusätzlich soll es am Straßenrand Punkte geben, die ebenfalls mit den Autos kommunizieren können, etwa eingebaut in Ampeln. Diese heißen dann entsprechend "ITS Roadside Stations".
Die Vernetzung soll vor allem bewirken, dass weniger Unfälle passieren. So hat etwa BMW im Rahmen des Projekts einen Querverkehrsassistenten entwickelt. Dieser soll für mehr Sicherheit an Kreuzungen sorgen, die der Schauplatz von einem Drittel aller Unfälle mit Personenschaden sind. Dr. Christoph Grote, Geschäftsführer der BMW Forschung und Technik GmbH, erklärt den Assistenten so: "Das System wertet alle empfangenen Daten wie Geschwindigkeit, Entfernung zur Kreuzung und Bewegungsrichtung zusammen mit den Informationen des eigenen Fahrzeugs aus. Falls der Fahrer nicht selbst auf ein querendes Fahrzeug reagiert, wird er über optische sowie akustische Signale gewarnt."
Opel wiederum steuert eine intelligente Wetterwarnung bei. Diese nutzt bereits vorhandene SWIS-Stationen, die schon heute atmosphärische Informationen an Streufahrzeuge liefern, und vernetzt diese mit Wettersensoren im Fahrzeug, wie etwa dem Regenfühler, der automatisch den Scheibenwischer startet und den Fahrer vor schlechtem Wetter warnt.
Trotz des erfolgreichen Feldversuchs muss simTD noch einige Hürden überwinden. So müssen die Hersteller ein Gleichgewicht finden zwischen Sicherheit und dem ständigen Alarmieren des Fahrers. Ein weiterer, noch weitgehend ungeklärter Faktor ist der Datenschutz im vernetzten Auto. Und schließlich funktioniert das Prinzip von simTD nur, wenn genügend Fahrzeuge mit der Technologie ausgestattet sind. Bis das der Fall ist, könnte es allerdings noch deutlich länger dauern als 2015. Immerhin: Mercedes will bereits in diesem Jahr erste Serienfahrzeuge mit Car-to-X-Technik in den Handel bringen.
Dann kommt "KITT"
Und wie geht es nach simTD weiter? Die technische Entwicklung hält nicht an, im Gegenteil. Bereits vor zwei Jahren ließ BMW ein fahrerloses Versuchsfahrzeug auf der A9 von München nach Nürnberg fahren. Nissan versprach jüngst sogar ein selbst fahrendes, serienreifes Fahrzeug bis 2020. Damit dieses auch unfallfrei fährt, bedient sich Nissan unter anderem in der Tierwelt: Lasergesteuerte 300-Grad-Entfernungsmesser funktionieren dabei wie die Facettenaugen von Hummeln, die ja beim Fliegen im Schwarm auch nicht zusammenstoßen.
In Japan hat Nissan bereits die Genehmigung bekommen, seine Autos auf öffentlichen Straßen zu testen. Ausgerechnet Google brachte den Stein - bzw. den Wagen - ins Rollen, als der Konzern die Autobranche schon 2010 mit voll funktionierenden Testfahrzeugen überraschte. Damals hatte Google einfach mehrere Toyota Prius mit einer eigenen Sensorentechnologie ausgestattet, die danach zwei Jahre lang im US-Bundesstaat Nevada fast eine halbe Million Kilometer zurücklegten - komplett unfallfrei.
Nach fruchtlosen Verhandlungen mit verschiedenen Fahrzeugherstellern will der Software- Gigant nun mit fahrerlosen Taxis direkt ins Autogeschäft einsteigen. Dafür arbeitet Google mit IBM und Continental zusammen. Taxifahrer müssen sich allerdings keine Sorgen machen: Bisher wurden automatische Fahrzeuge nur mit Kontrollinstanzen aus Fleisch und Blut hinter dem Steuer zugelassen.
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