iPad-Steuerung

Digitalstrom-Konzept

18.1.2013 von Markus Wölfel

Im kleinen Bergenhusen erstrahlt die 300 Jahre alte Kirche im neuen Glanz. Pastor und Unternehmer zogen an einem Strang, um den Spagat zwischen moderner Lichttechnik und Denkmalschutz zu schaffen. Das System ist aber auch für Weltliche interessant.

ca. 6:35 Min
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Die Lösungen von EnOcean basieren auf miniaturisierten Energiewandlern, immens Strom sparender Elektronik und zuverlässiger Funktechnik.
© connected-home

"Es gibt nichts Gutes, außer man tut es", dachte wohl Pastor Martin Baltzer, als er im Zuge einer Renovierung der alten Kirche auch die Modernisierung der Beleuchtung anging. Das prächtige Gotteshaus steht in der Gemeinde Bergenhusen, knapp 70 Kilometer entfernt von der dänischen Grenze in Norddeutschland. Obwohl nur rund 700 Menschen in dem kleinen Dorf leben, ist es unter Storchen-Freunden europaweit bekannt: Es soll eine der größten Kolonien des Kontinents beheimaten.

Auch die Bergenhusener Saalkirche ist einzigartig: Das barocke Gemäuer wurde 1712 auf den Ruinen einer Felsenkapelle erbaut und steht unter Denkmalschutz. Als nun die Renovierung des betagten Kirchenschiffs wegen eines maroden Dachstuhls und feuchter Wände anstand, sollte auch die elektrische Anlage auf Vordermann gebracht werden.

Genau hier fingen die Probleme von Pastor Baltzer an: Zum einen sollte es eine zeitgemäße Lichtanlage werden, die mehr kann als nur alle Lichter ein- oder ausschalten; zum anderen musste und wollte er sämtliche Auflagen des Denkmalschutzes erfüllen. Und schließlich war das Budget der Kirchengemeinde für das Vorhaben limitiert.

Die Lösung fand Elektrikermeister Volker Lorentzen in Gestalt des neuen Automationssystems digitalSTROM des Schweizer Unternehmens aizo. Der Name verwirrt etwas, denn der Strom wird nicht digitalisiert, sondern durch das pfiffige Patent steuerbar gemacht. Der Clou: Die intelligente Steuerung gelingt über die in der klassischen Elektroinstallation verwendeten Leitungen, indem das Steuersignal huckepack übertragen wird. Man muss also keine neuen Strippen ziehen.

Keine neuen Kabel

Für die Gemeindeverwaltung war es das entscheidende Kriterium. Deckengemälde und Wandvertäfelungen ließen aufwendige Installationsarbeiten nicht zu. Andererseits waren die über 100 Lampen bereits elektrifiziert und mussten nur noch umgerüstet werden.

So bekamen die Orgel, der Kronleuchter, das Taufbecken und die Bankreihen separate Bedienelemente, die sich zusammengefasst auf einem Apple iPad steuern lassen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass nicht nur der Pastor, sondern auch andere Gemeindemitglieder das System steuern können. Darüber hinaus arbeiten die alten Taster weiterhin und lassen auch eine manuelle Bedienung zu.

Kein Haus ohne Bus

Geboren wurde die digitalSTROM-Idee aus der Notwendigkeit heraus, zeitraubende Installationszeiten zu verkürzen. Das ist genau der Bereich im Elektrikerhandwerk, der richtig ins Geld geht, denn Kabel zu verlegen dauert lange: Es sind Schlitze zu klopfen oder Kabelkanäle anzudübeln. Ganz nebenbei sind es Arbeiten, die sich nicht mit dem Denkmalschutz vertragen.

Um die genaue Funktionsweise von digitalSTROM zu erklären, ist ein Exkurs ins Thema Bussysteme nötig. Der Strom fließt auf der Leitung - der Fachmann spricht von Phase - durch den Lichtschalter hindurch oder er wird von ihm unterbrochen. Das macht eine Änderung der Schaltung umständlich, vor allem bei großen Installationen. Will man etwa einen zweiten Lichtschalter im Raum platzieren, muss der Installateur die alten Leitungen teilweise herausreißen und neue ziehen.

Ein Bussystem setzt dagegen auf die Gewaltenteilung: Sensoren und Aktoren. Sensoren können sowohl Messfühler für Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder Lichtstärke als auch Taster oder Touchpads sein.

Aktoren schalten dagegen die Verbraucher ein und aus oder regeln sie bei Bedarf auch stufenlos (dimmen). In einer Zentrale laufen alle Kabel zusammen. Sie steuert alle angeschlossenen Verbraucher aufgrund der eingehenden Sensordaten und der vorher festgelegten Programmierung. Diese Vorgehensweise macht auch den Ausbau und Umbau einfacher.

Um das Beispiel mit dem Lichtschalter aufzugreifen: Ein zweiter Schalter lässt sich leicht in einem Bussystem installieren. Der Elektriker baut ihn an der gewünschten Stelle ein, stellt die nötige Verbindung zur Zentraleinheit her und teilt ihr mit, für welchen Raum der neue Taster zuständig ist.

Der vorhandene Drücker sowie die Lampe selbst bleiben so verschaltet wie sie sind. Das geht wesentlich einfacher und schneller. Allerdings rentiert sich ein Bussystem nicht überall. Vor allem kleine Installationen sind oft schneller in herkömmlicher Technik auf- und umgebaut.

Lange Leitung

Doch zurück zum Bussystem: Für Aktoren braucht man prinzipbedingt starke Leitungen, um ausreichend Strom übertragen zu können. Die Signale der Sensoren hingegen lassen sich schon mit Niedervoltleitungen realisieren. Das weit verbreitete KNX etwa benötigt nur einen Klingeldraht. Da selbst dieser verlegt werden muss, versuchen Nachrüst-Bussysteme zur Hausautomation die Steuersignale auf einem anderen Weg zu übermitteln. In vielen Fällen sind dies Funkstrecken.

digitalSTROM dagegen überträgt die Sensordaten gleichzeitig mit dem Strom über dieselbe Leitung. Das aizo-Patent nutzt also für den Datentransport - ähnlich wie die bekannten Powerline-Adapter - das Stromkabel selbst dafür, allerdings nach einem anderen Prinzip.

Das Rückgrat des digitalSTROM-Systems, DSM11, wird im Schaltkasten installiert. Das sogenannte digitalSTROM-Meter (Englisch für Messgerät) hat gleich mehrere Aufgaben. Es regelt die Kommunikation mit den nachgeschalteten Komponenten, misst die Energie im Strang und gibt die Zustände an den zentralen Server weiter. Insgesamt können 62 DSM-Module zu einem Kreis zusammengeschaltet und über einen Server verwaltet werden.

Jedes Modul wird hinter je einen der Sicherungsautomaten geschaltet. Aufwendige Filterschaltungen sorgen dafür, dass nur Bausteine innerhalb dieser Linie angesprochen werden und dass keine Kommunikationsdaten ins öffentliche Netz gelangen. Als Master im System befehligen sie die kleinen Digitalstrom-Klemmen (Slaves), die zum Aufbau des Systems in Unterputzdosen und Lampenfassungen verschwinden.

Baut der Elektriker eine der Klemmen ein, erkennt ihn das DSM-Modul an einer eindeutigen ID sofort und ordnet sie automatisch den acht funktionalen Gruppen zu. Bis zu 128 digitalSTROM-Klemmen kann der Installateur einem Metering-Baustein zuweisen. Neben den Klemmen in der Größe einer Lüsterklemme, die als Aktoren arbeiten, gibt es noch die Tasterklemmen. Sie werden als Sensoren in die Unterputzdosen der Taster eingebaut. Sie registrieren die Benutzereingaben am Ort des Geschehens.


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Diese klassische Variante dürfte in den meisten Häusern noch vorhanden sein. Der Stromweg führt von der Unterverteilung über den Schalter zur Lampe. (Null- und Schutzleiter wurden der Übersichtlichkeit wegen weggelassen.)
© Hersteller/Archiv

Für die Schalter hat sich aizo ein besonderes Bediensystem ausgedacht. Einfaches Tasten schaltet den Verbraucher, mehrmaliges Tastendrücken bewirkt Sonderfunktionen, um etwa Stimmungen umzuschalten oder um in den Dimm-Modus zu wechseln. Lässt der Bauherr zusätzlich noch einen Server (DSS) einbauen, kann er alle Aktoren auch ohne die vorhandenen Taster steuern. Der Server hat die Obhut über alle DSM im System und bildet das Bindeglied zum WLAN bzw. Internet.

Surfen im Hausnetz

Über einen Browser kann der Benutzer selbst auf den eingebauten Konfigurator zugreifen und so das System einrichten. Mithilfe des Konfigurators kann er zudem die Bausteine den Räumen zuweisen, die Einstellung der Geräte ändern, zusätzliche Apps installieren, die Firmware der einzelnen Komponenten updaten sowie die Daten auswerten.

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Ganz anders funktioniert ein KNX-System. Es braucht in der typischen Verkabelung separate Busleitungen. Darüber werden Befehle und Sensordaten ans System übertragen. Es gibt aber auch für KNX Lösungen mit Funk oder Powerline.
© Hersteller/Archiv

Die übersichtliche Oberfläche können auch Anfänger nach etwas Einarbeitung bedienen. Sie ist tabellarisch aufgebaut und nach Räumen gegliedert. Hier legt der Anwender auch die Lichtstimmungen fest: von ein/aus über eine einzelne Leselampe bis hin zur dezenten Fernsehbeleuchtung. Da zu jedem Stromkreis ein Digitalstrom-Meter gehört, wird die augenblicklich benötigte Leistung im Web-Interface stets angezeigt.

Für das Programm ist es ein Leichtes, daraus den Energiebedarf im Jahr zu errechnen. So können Energiefresser schnell entlarvt werden. Zudem findet es schnell heraus, wenn etwas nicht stimmt. Eine Lampe, die im eingeschalteten Zustand keinen Strom verbraucht, muss folglich defekt sein.

Auch für die Sicherheit wurde gesorgt. Damit nicht jeder mit der kostenlosen digitalSTROM-App das eigene Netz kapern kann, müssen die Smartphones oder Tablet-PCs in einem Untermenü angemeldet werden. Das geht über Username/Passwort oder über einen individuellen Schlüssel (Token). Eine Liste der berechtigten Smartphones bleibt dann auf dem Web-Interface gespeichert.

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Eine digitalSTROM-Installation nutzt alle vorhandenen Leitungen. In der Unterverteilung, den Tastern und den Verbrauchern baut der Fachmann lediglich die Mess- und Schaltglieder ein. Außerdem muss er alte Schaltereinsätze durch Taster ersetzen. Deren Blenden können indes weiterverwendet werden.
© Hersteller/Archiv

Wie bei jeder gescheiten Automations-Software lassen sich darin auch die Koordinaten eingeben. Sie errechnet daraus die Zeiten für den Sonnenauf- und untergang. Je nach Programmierung kann der Kunde so seine Außenbeleuchtung für den Winter einstellen. So kann man die Lampen etwa von Sonnenuntergang bis 22 Uhr und von 6 Uhr bis zur Morgenröte leuchten lassen.

Was kostet das System?

Als Nachrüstsystem spart digitalSTROM zwar erhebliche Installationskosten ein, die Summen für die dazu nötigen Schalt- und Metering-Komponenten gehen allerdings als Malus in die Schlussrechnung ein. Ebenfalls auf die Liste gehören die Tastereinsätze, da die Bausteine nur auf einzelne Impulse reagieren. Sind noch Schalter im System verbaut, müssen sie durch Taster der gleichen Serie ersetzt werden. Die passenden Blenden der Schalter kann der Hausherr aber für die Taster wiederverwenden.

Durch Beispielrechnungen lassen sich die Kosten in gängige Profilkonstellationen herunterbrechen: Das Ein-Zimmer-Apartment mit drei Leuchten und einem Wandtaster liegt bei ca. 550 Euro. Eine Vier-Zimmer-Wohnung kostet mit Komponenten für Licht, Sicherheit und Klingelanlage etwa 3.500 Euro.

Für ein Haus mit siebeneinhalb Zimmern, das neben den typischen Komponenten noch eine Rollladensteuerung mitbringt, liegt das Gesamtpaket bei 8.500 Euro. Dies dürfte etwa dem Aufpreis entsprechen, den ein Hausbesitzer für ein kabelgebundenes Bussystem drauflegen muss. Der große Unterschied: Bei digitalSTROM geht das auch nachträglich und ohne Schmutz und Staub.

Die Segnungen der Neuzeit

Die Bergenhusener Bürger können sich nun an einem renovierten Gotteshaus mit stimmungsvoll inszenierten Veranstaltungen darin erfreuen. Gerade an einem spirituellen Ort dürfte es wichtig sein, für den jeweiligen Anlass die richtige Atmosphäre zu schaffen. Vorbei ist die Zeit, in der das grelle Licht mitten im Weihnachtsgottesdienst die heimelige Atmosphäre zunichtemachte.

Der Pastor sorgt jetzt selbst für angemessene Lichtstimmungen. Passend zur Bibelstelle setzt er Lichtakzente, indem er Bilder oder Heiligenfiguren anstrahlen lässt. Das iPad liegt dazu neben dem Gebetbuch auf dem Altar - fast seltsam in der historischen Kulisse.

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